“Dieser Zug wird voraussichtlich 10 bis 20 Minuten später abfahren. Grund dafür sind Verzögerungen im Arbeitsablauf.” Bahnpendler kennen diese Ansage nur zu gut. Und sie wissen: Das ist meist der Anfang einer längeren und alles andere als problemlosen Reise. Denn auf die “Verzögerungen im Arbeitsablauf”, wahlweise auch als “verspätete Zugbereitstellung” bezeichnet, folgt fast immer die “Störung am Zug”.
Besonders betroffen von diesen Problemen sind die Pyhrn- und die Passauer Bahn, mitunter auch die Salzkammergutstrecke. Dort setzen die ÖBB Loks und CityShuttle-Wagen ein, die gut 40 Jahre auf dem Buckel haben. Sogar einige der ältesten noch einsatzfähigen ÖBB-Elektroloks sind dort täglich unterwegs: Sie drehen schon seit gut fünf Jahrzehnten ihre Runden zwischen Neusiedler- und Bodensee. Da ist es kein Wunder, dass sie immer öfter den Geist aufgeben. Auf freier Strecke. Oder gleich vor der Abfahrt am Startbahnhof.
Schon im Frühjahr 2019 haben wir die ÖBB mit diesen Problemen konfrontiert. Ein damaliger Bahnsprecher – er arbeitet inzwischen längst woanders – hatte die technischen Schwierigkeiten eingestanden und versprochen, man werde sie durch Umbauten und eine verstärkte Wartung schnell abstellen.
Doch fast fünf Jahre später hat sich nichts geändert. Die uralten CityShuttle-Züge mit ihren betagten Loks sind immer noch in Oberösterreich unterwegs, und sie fallen immer noch regelmäßig aus. Das zeigen zwei aktuelle Beispiele aus den vergangenen Tagen.
Fast fünf Stunden von Linz nach Graz
12. Jänner, 12.45 Uhr, Linz Hauptbahnhof: Einige Dutzend Fahrgäste warten bei Wind, Schneetreiben und Kälte auf den Regionalexpress 3907 nach Liezen. Kaum zehn Minuten vor der planmäßigen Abfahrtszeit um 12.55 Uhr schleicht der CityShuttle in Schrittgeschwindigkeit an den Bahnsteig. Er ist warm geheizt und hell erleuchtet. Immerhin. Doch zur planmäßigen Abfahrtszeit tut sich: nichts. Die Zugbegleiterin meldet sich und bittet um Geduld: “Wir müssen einen verspäteten Gegenzug abwarten.”
Kurz darauf dann die altbekannte Durchsage auf dem Bahnsteig: “Störung am Zug”. Etwa 30 bis 40 Minuten soll die Verspätung betragen. Die Schaffnerin ergänzt kurz darauf per Lautsprecher: “Wir haben eine Störung am Steuerwagen. Wir müssen mit der Lokomotive ans andere Ende des Zuges fahren.” Das hört sich einfacher an, als es in einem stark frequentierten Bahnhof wie Linz Hbf. ist. Denn für das Manöver braucht es Personal – und vor allem freie Gleise.
Mit 31 Minuten Verspätung setzt sich der Zug schließlich in Bewegung. Und dabei sollte es bis Selzthal dann auch bleiben. Denn auf der immer noch weitgehend eingleisigen Pyhrnbahn kann der Zug kaum Verspätung abbauen. Im Gegenteil, weil er aus dem Takt gefallen ist und deshalb mitunter länger auf entgegenkommende Züge warten muss, droht sogar noch eine deutliche Zunahme der Verspätung.
Für Fahrgäste die nach Liezen wollen, ist die Fahrt in Selzthal zu Ende. Um die Rückfahrt nach Linz nicht zu stark verspätet anzutreten, wendet der CityShuttle vorzeitig. Auch die Lok muss wieder ans andere Ende des Zuges rangieren. Wer von Linz nach Graz unterwegs ist, muss jetzt eine gute halbe Stunde auf den nächsten Zug warten. Der ist ein Regionalzug mit Halt an jeder Station und in St. Michael ist Endstation. Dort heißt es dann umsteigen in die bummvolle S-Bahn nach Bruck an der Mur und dort dann in den mehr als gut gefüllten Railjet, der von Berlin nach Graz unterwegs ist.
Weil all diese Züge pünktlich sind, erreichen die Fahrgäste aus Linz schließlich 4:38 Stunden nach ihrer Abfahrt die steirische Landeshauptstadt. Mit dem Auto ist diese Strecke leicht in zweieinhalb Stunden zu schaffen, selbst bei sehr viel Verkehr am Freitagnachmittag dauert’s für gewöhnlich nicht länger als drei Stunden.
Linz – Schärding in zwei Stunden
16. Jänner, 16.50 Uhr, Linz Hauptbahnhof: Der gut gefüllte Regionalexpress 5912 nach Passau setzt sich pünktlich in Bewegung. Doch schon am ersten Halt in Marchtrenk ist die Fahrt zu Ende. “Die Lokomotive ist kaputt”, verkündet der Schaffner. Nach etwa 20 Minuten verlassen die Fahrgäste genervt den Zug. Über das schon seit vielen Monaten bestehende hölzerne Bahnsteigprovisorium klettern sie mühsam zum anderen Gleis. Dort soll in Kürze der nächste Zug Richtung Schärding abfahren. Doch auch er hat fast 15 Minuten Verspätung, in Wels trifft er dann schon 20 Minuten zu spät ein. Schärding erreichen die Pendler dann mit genau 13 Minuten Verspätung um 18.43 Uhr, beinahe zwei Stunden nach ihrer Abfahrt in Linz. Viele haben ihre Busanschlüsse versäumt, sie müssen schauen, wie sie jetzt weiterkommen und werden am Ende gut drei Stunden unterwegs gewesen sein. Der Ärger der gestrandeten Fahrgäste ist entsprechend groß. Und sie sind damit an diesem Tag nicht alleine: Schon der Regionalexpress um 15.50 Uhr von Linz nach Passau ist ausgefallen. Auf der gesamten Strecke und ohne Ersatz.
Warum haben es die ÖBB in fünf Jahren nicht geschafft, die technischen Probleme bei den alten CityShuttle-Zügen abzustellen? ÖBB-Sprecher Christopher Seif sagt dazu: “Trotz regelmäßiger Wartung des Wagenmaterials kann es natürlich zu unerwarteten Störungen kommen, die in weiterer Folge zu Verspätungen oder Zugausfällen führen können. Dabei sind wir aber natürlich ständig bemüht, die Auswirkungen für unsere Reisenden so gering wie möglich zu halten.”
Man hat also offenbar vor den hartnäckigen Problemen mir diesen alten Zügen kapituliert, findet sich mit den “unerwarteten Störungen ab.” Einziger Lichtblick: Die CityShuttle-Wagen sollen 2025 endlich auch in Oberösterreich im Regionalverkehr durch modernere Fahrzeuge abgelöst werden. Sofern diese rechtzeitig geliefert und auch zugelassen sind. Das ist bei neuen Schienenfahrzeugen inzwischen eher die Ausnahme als die Regel. Bei den Railjet-Garnituren der zweiten Generation etwa warten die ÖBB seit Jahren darauf, sie endlich einsetzen zu dürfen.
Alte Ersatzwaggons verärgern Intercity-Fahrgäste
Weil diese acht nagelneuen Züge im täglichen Betrieb fehlen und gleichzeitig über 100 ältere Waggons auf ihre Wartung oder Reparatur in den durch fehlendes Personal und organisatorische Mängel heillos überlasteten ÖBB-eigenen Werkstätten warten, herrscht auf einigen Strecken nach wie vor Chaos. Einmal mehr davon betroffen ist die Pyhrnbahn. Dort fahren die meisten IC- und D-Züge mit den alten CityShuttle-Wagen an Stelle der vom Bund bei den ÖBB bestellten und bezahlten Fernverkehrswagen. Auch die 1. Klasse und den Waggon mit barrierefreier Ausstattung suchen Fahrgäste in diesen Zügen derzeit oft vergeblich.
Der Einsatz der antiquierten CityShuttle-Wagen bedeutet für die Fahrgäste auf der Strecke Linz – Graz weniger Platz, harte Sitze und keine Steckdosen zum Aufladen von Handys, Tablets und Notebooks. Auch eine Klimaanlage fehlt, die altmodische Heizung kann nur die beiden Extreme “eiskalt” und “Sauna”.
Empörung über Plumpsklos
Besonders ekelhaft und auch empörend finden viele Fahrgäste die antiquierten Plumpsklos in diesen Waggons. Betätigt man das wackelige Spülpedal, fällt das Geschäft samt Papier und etwaigen weiteren Hinterlassenschaften direkt auf die Gleise. Ein System, das etwa in Deutschland schon seit Jahren aus Umweltschutz- und Hygienegründen verboten ist, und auch in Polen es damit nächstes Jahr vorbei.
Wie lange werden diese unkomfortablen Ersatzwagen noch im Fernverkehr auf der Pyhrnbahn im Einsatz sein? ÖBB-Sprecher Christopher Seif: “Fallweise kommen diese Ersatzwagen noch punktuell bei Bedarf zum Einsatz. Neufahrzeuge sind auf diesem Streckenabschnitt voraussichtlich ab 2026 im Einsatz.”
Mit Betonung auf “voraussichtlich”. Denn auch diese Züge müssen erst rechtzeitig produziert, geliefert und zugelassen werden.
Titelbild: Wikimedia Commons / Krauselklause – eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=81760155