Pflege am Limit

Dutzende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich heute einmal mehr vor dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz versammelt. Passender Weise um Fünf nach Zwölf. Dass längst dringender Handlungsbedarf besteht, sieht man in den Gesichtern der Krankenschwestern, Pfleger, medizinisch-technischen Fachangestellten und Hilfskräfte: Der Blick der meisten Mitarbeiter ist müde, tiefe Augenringe und harte Furchen zeichnen die blassen Gesichter. Vielen von ihnen ist die Dienstkleidung zu groß geworden: Sie haben in den vergangenen Monaten und Jahren einige Kilo abgenommen.

“Die Leute wollen einfach auf Urlaub gehen. Sie wollen sich ausrasten und endlich wieder einmal erholen. Die Arbeitsbelastung hat eine Dimension erreicht, wo man jetzt nicht mehr weitermachen kann. Wir brauchen neues Personal, wir brauchen eine Ausbildungsreform, wir brauchen eine ordentliche Bezahlung. Und wir brauchen Wertschätzung”, sagt Erwin Deicker. Er ist Betriebsratsvorsitzender im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und Funktionär der Dienstleistungsgewerkschaft vida.

Kaum mehr Freizeit

Das schlimmste für die Beschäftigten in Gesundheitsberufen ist die mangelnde Freizeit. Und selbst die wenigen freien Stunden und Tage sind keineswegs gesichert. Denn wegen des drückenden Personalmangels müssen ständig die Dienstpläne über den Haufen geworfen werden, erzählt Stefan Bauer, Altenpfleger und Betriebsratschef beim Sozialhilfeverband Linz-Land: “Es kann sein, dass der Dienstplan sieben Mal im Monat umgestellt wird, weil wieder einmal ein Haufen Leute krank ist. Du hast keine Sicherheit mehr, du musst ganz schnell die Kinderbetreuung umorganisieren, weil du deine Kolleginnen nicht im Stich lassen willst. Nur mittlerweile ist es so, dass die Beschäftigen da nicht mehr mitspielen. Sie spielen nicht mehr mit! Aus! Es ist vorbei!”

Die meisten Menschen in den Pflegeberufen machen ihren Job nach wie vor gerne und mit großer Leidenschaft. Aber immer mehr von ihnen sind körperlich am Ende. Sie wandern in andere Berufe ab, in denen sie besser bezahlt werden und geregelte Arbeitszeiten haben. “Ich habe eine Kollegin, die war Staplerfahrerin bei der VÖEST. Dann hat sie eine Ausbildung als Sozialbetreuerin gemacht und war eine super Mitarbeiterin. Jetzt geht sie wieder Stapler fahren. Eine andere Mitarbeiterin kehrt in ihren erlernten Beruf als Friseurin zurück”, berichtet Betriebsratsvorsitzender Bauer.

Bundesregierung verspricht eine Milliarde Euro

Dass die Bundesregierung heute eine Milliarde Euro zusätzlich für mehr Ausbildungsplätze und höhere Einkommen in den Pflegeberufen versprochen hat, nehmen die Arbeitnehmervertreter mit Wohlwollen auf. “Schauen wir, was davon auch tatsächlich bei uns ankommt”, sagt Stefan Bauer. Und sein Betriebsratskollege Erwin Deicker ergänzt: “Jetzt erwarten wir, dass den Worten auch Taten folgen.” Sollte über den Sommer nichts passieren, dann werde im Herbst gestreikt.

Bild: Protest der Pflegekräfte in Linz – Archivfoto: Facebook / gpa OÖ