Sie ist seit Jahren das Stiefkind der ÖBB: Die Pyhrnstrecke von Linz Richtung Kirchdorf und weiter nach Graz. Wer in einen Intercity von Linz nach Graz steigt, hat derzeit gute Chancen eine kleine Zeitreise zu erleben: Statt moderner Fernverkehrswaggons mit Klimaanlage, Tischen und Laptop-Steckdosen fahren dort schon seit Monaten viele alte, unklimatisierte Nahverkehrswaggons, in denen man am Sitzplatz nicht einmal einen Kaffeebecher abstellen oder ein Taschentuch wegwerfen kann. Wer gehofft hatte, die mehr als dreistündige Zugfahrt von Linz nach Graz wenigstens zum Arbeiten nutzen zu können, wird nicht selten bitter enttäuscht. Selbst der happige Aufpreis für die 1. Klasse ist keine Garantie für mehr Komfort: Seit dem völlig verpfuschten Fahrplanwechsel im vergangenen Dezember, bei dem die ÖBB mit deutlich mehr Waggons kalkuliert hatten, als derzeit einsatzfähig sind, fehlt in vielen Intercity-Zügen die 1. Klasse. Auch First-Class-Passagiere landen dann in der 2. Klasse mit dem zweifelhaften Nahverkehrs-Komfortniveau der frühen 1990er-Jahre. Mehr können oder wollen die ÖBB ihren Fahrgästen auf der schon seit Jahrzehnten mit sehr wenig Engagement betriebenen Zugverbindung Linz – Graz nicht bieten.
Während auf der West- und der Südstrecke Milliarden für kürzere Fahrzeiten und mehr Kapazität verbaut wurden, ist die Pyhrnbahn immer noch zu großen Teilen eingleisig und inzwischen völlig ausgelastet. Diesem jämmerlichen Zustand der Infrastruktur entspricht auch das Angebot. “Nicht so schlimm, da fährt eh kaum jemand”, hatte ein hochrangiger ÖBB-Manager vor einigen Jahren Life Radio wissen lassen – hinter vorgehaltener Hand freilich. Ein ÖBB-Sprecher hatte indes schon vor fünf Jahren bessere Züge für die Pyhrnstrecke versprochen. Passiert ist seither allerdings so gut wie nichts.
Jetzt soll es aber wirklich bald so weit sein, sagt ÖBB-Regionalmanagerin Eva Hackl im Gespräch mit Life Radio-Redakteur Daniel Kortschak: “Wir warten auf die neuen Züge. Es sollen jetzt im Frühjahr die ersten neuen Railjet-Garnituren geliefert werden, dann wird es sukzessive besser. Morgen klappt es leider noch nicht, wobei alle in den Werkstätten und auch auf der Strecke ihr Bestes geben, um alle Relationen so gut es geht zu fahren. Uns ist bewusst, dass das nicht dem Anspruch gerecht wird, den die Kundinnen und Kunden und auch wir selbst an uns haben. Aber es wird in den nächsten Monaten besser werden, wenn die Neufahrzeuge endlich da sind.”
Railjets werden auf der Pyhrnbahn allerdings nicht so bald fahren, denn die modernen Siemens-Züge kommen nach ihrer Ablieferung mit gut zwei Jahren Verspätung auf die Brennerstrecke in Tirol. Dort machen die Italienischen Behörden schon seit Jahren Druck, dass die ÖBB ihre alten, nicht mehr den aktuellen Brandschutznormen entsprechenden Waggons endlich abziehen. Genau diese älteren Wagen sollen dann unter anderem in die Intercity-Züge Linz – Graz abwandern. Was für den Brenner zu alt und unsicher ist, ist für die Pyhrnbahn noch lange gut genug.
Alte Züge im Nahverkehr
Nicht viel besser als auf der Intercity-Strecke Linz – Graz schaut es im Nahverkehr in Oberösterreich aus. Während in Vorarlberg, Tirol und Kärnten nur mehr moderne, klimatisierte und barrierefreie Niederflurzüge fahren, sind in Oberösterreich weiterhin Dutzende alte Waggons und Triebwagen mit hohen Stufen, ohne Klimaanlage und mit Plumpsklos, deren Inhalt sich unmittelbar auf die Schienen ergießt, tagtäglich im Einsatz. Man staunt, dass so etwas im Jahr 2024 überhaupt noch erlaubt ist. Die Landeshauptleute und Verkehrsreferenten im Westen und Süden des Landes haben sich diese Altfahrzeuge vehement verbeten und ordentlich Druck auf die Bundesbahnen ausgeübt. Das Land Oberösterreich hingegen ließ die ÖBB jahrelang weitgehend ungestört gewähren.
Inzwischen ist man auch beim Oberösterreichischen Verkehrsverbund und in den Politikerbüros in Linz aufgewacht und hat den 2019 für zehn Jahre geschlossenen Verkehrsdienstevertrag mit den ÖBB vorzeitig gekündigt. Der neue Vertrag, den Land, Bund und ÖBB im November 2023 mit einer Laufzeit bis 2033 abgeschlossen haben, sieht jetzt auch neue Fahrzeuge für den Nahverkehr in Oberösterreich vor: weitere S-Bahn-Garnituren für die elektrifizierten Strecken, Triebwagen mit zusätzlichen Batterien für die derzeit mit antiquierten Dieselfahrzeugen betriebenen Linien. Für Leistungen, die nicht den Qualitätskriterien entsprechen, sieht der neue Vertrag weiter reichende Sanktionsmöglichkeiten vor. Auf der anderen Seite können sich die ÖBB mit besonders sauberen und pünktlichen Zügen Bonuszahlungen verdienen.
Daran, dass dieser neue Verkehrsdienstevertrag jetzt tatsächlich einen plötzlichen Qualitäts- und Modernisierungsschub im ÖBB-Nahverkehr in Oberösterreich auslösen wird, glaubt allerdings nicht einmal der zuständige Infrastrukturlandesrat Günther Steinkellner: “Der neue Verkehrsdienstevertrag bringt nichts, so lange die ÖBB nicht liefern können. Die ÖBB haben das Problem, dass Bombardier die bestellten Züge nicht liefern konnte. Das ist ein Dilemma. Jetzt suchen die ÖBB nach Alternativen. Wir haben noch das Glück, dass im Gegensatz zu Ostösterreich keine Züge eingestellt wurden. Aber ich hoffe, dass die ÖBB das Problem rasch beseitigen können.”
Neue Züge seien bestellt und gingen beim Hersteller bald in Produktion. sagt ÖBB-Regionalmanagerin Hackl. Sie sollen zunächst im Nahverkehr, später dann auch auf der zum “Interregio” mit mehr Halten und einfacheren Zügen zurückgestuften bisherigen Intercity-Strecke Graz – Linz zum Einsatz kommen. Das wird allerdings auch nicht morgen sein, um mit den Worten der ÖBB-Regionalmanagerin zu sprechen: Der neue Verkehrsdienstevertrag gibt den ÖBB bis 2029 Zeit für die vollständige Modernisierung des Fuhrparks in Oberösterreich.
Schleppender Ausbau der Bahnstrecken
Viel geredet und wenig gebaut wurde in den vergangenen Jahren auch bei der Bahn-Infrastruktur in Oberösterreich. Während etwa in Kärnten für viele Hundert Millionen Euro eine völlig neue Strecke gebaut und zwei andere von Grund auf modernisiert und vor allem elektrifiziert wurden, klaffen im durchgehend viergleisigen Ausbau der Westbahn zwischen Wien und Attnang-Puchheim immer noch zwei schmerzhafte Lücken: Zwischen Linz und Wels müssen sich internationale Schnellzüge, der schwere Transitgüterverkehr und die innerösterreichischen Schnellzüge die vorhandenen zwei Gleise mit dem im Zentralraum besonders dichten Nahverkehr von S-Bahnen und Regionalexpress-Zügen teilen. Verspätungen sind an der Tagesordnung, der heillos überlastete Streckenabschnitt Linz – Wels ist ein gefürchteter Flaschenhals im europäischen Eisenbahnnetz. Immerhin haben inzwischen nach jahrelangem Gezerre über Trassenvarianten, Grundstückseinlösen und von Anrainern und Lokalpolitikern mit Vehemenz geforderte Lärmschutztunnel jetzt endlich die Arbeiten für den längst überfälligen Ausbau der Westbahn zwischen Linz und Wels begonnen. Bis alles fertig ist, wird es nach heutigem Stand allerdings bis 2031 dauern. So lange müssen die ohnehin leidgeprüften Pendler auf dieser Strecke noch zusätzliche Verspätungen und Zugausfälle in Kauf nehmen; in der Hoffnung, dass dann wirklich alles wie von Land und ÖBB versprochen besser wird.
Noch viel trister ist die Lage im Osten von Linz: Dort fehlen im Bereich des Verschiebebahnhofs Kleinmünchen nur wenige Hundert Meter Schienen, um den viergleisigen Lückenschluss zu schaffen. Genau dieses fehlende kurze Stück Schienen verhindert aber, dass der S-Bahn-Takt verdichtet werden kann, um die zu den Stoßzeiten heillos überfüllten Züge zu entlasten und für mehr Pendler eine Alternative zum Auto zu bieten, sagt Infrastrukturlandesrat Günther Steinkellner: “Ich bin selbst auch traurig darüber, dass wir nicht bereits die Züge fahren lassen können, die wir gemeinsam mit dem ÖBB-Personenverkehr bestellt hätten. Aber da hinkt einfach die Infrastruktur nach. Wir brauchen den Ausbau der S1 von Linz über Enns und Steyr Richtung Garsten ganz dringend. Hier würden sehr viele Menschen den Zug benützen, wenn er öfters fahren könnte.”
Bis der dichtere Takt auf der S1 im oberösterreichischen Zentralraum Wirklichkeit ist, wird aber noch sehr viel Wasser die Enns und die Donau hinunter fließen. Denn die Entschärfung des zweigleisigen Nadelöhrs im Linzer Osten hat sich mehrmals verzögert; statt wie ursprünglich geplant Mitte bis Ende des Jahrzehnts soll die Westbahn dort erst 2033 viergleisig sein. Falls der Zeitplan diesmal hält. Das ist alles andere als sicher, denn noch haben die Bauarbeiten nicht einmal begonnen.
Titelbild: Wikimedia Commons – von GT1976 – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62398132