Von Daniel Kortschak
Das Verkehrsressort gilt in der Linzer Stadtregierung als heiße Kartoffel, die niemand angreifen will. Die Grünen wollten es nach der Gemeinderatswahl im letzten Herbst nicht übernehmen. Aus Angst, an der Aufgabe zu scheitern und sich den Zorn einflussreicher Wirtschaftsvertreter und eingefleischter Autofahrer zuzuziehen. So geht zumindest die Erzählung im Rathaus.
Gelandet sind die Verkehrsagenden dann bei ÖVP-Langzeitvizebürgermeister Bernhard Baier. Auch seine Begeisterung war mehr als enden wollend. Seine Wut darüber, dass die SPÖ das Wirtschaftsressort an sich gezogen hat, war dafür umso größer. Ein heftiger, zum Teil in aller Öffentlichkeit ausgetragener Konflikt mit Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) war die Folge. Ein kapitaler Fehlstart, der viele Wochen Stillstand in der Linzer Verkehrspolitik mit sich gebracht hat. Bis Baier Ende Februar mehr oder weniger freiwillig das Handtuch geworfen hat, um auf einen gut dotierten Posten im Vorstand der OÖ Wohnbau zu wechseln.
Die Nachfolge von Bernhard Baier im Linzer Rathaus hat Martin Hajart angetreten. Er ist am 17. März als Vizebürgermeister und Verkehrsstadtrat angelobt worden und hat Baier auch an der Spitze der Stadt-ÖVP abgelöst. Jetzt hat der 38-Jährige Wirtschaftswissenschaftler seine Prioritäten in der Linzer Verkehrspolitik vorgestellt. Und die dürften einiger seiner Parteifreunde und traditionellen Stammwähler ziemlich sauer aufstoßen. Denn Hajarts Botschaft ist klar: Weniger Autos, dafür deutlich mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger in der Stadt. Das soll Autofahrer zum Umsteigen bewegen, sagt Hajart im Interview mit Life Radio-Reporter Daniel Kortschak: “Viele Menschen denken noch nicht ans Radfahren. Dabei wissen wir, dass österreichweit 40 Prozent aller Verkehrswege kürzer als fünf Kilometer sind. Trotzdem werden sie sehr oft mit dem Auto zurückgelegt. Hier besteht großes Potenzial für das Radfahren, weil derart kurze Strecken bieten sich ideal zum Umsteigen an.”
Derzeit ist das Radfahren in Linz allerdings alles andere als eine entspannende Angelegenheit: gänzlich fehlende oder viel zu schmale Radwege, die oft abrupt im Nichts enden, unvorteilhafte Ampelschaltungen und immer wieder Baustellen, an denen Radler zum Absteigen gezwungen werden. Der begeisterte Alltagsradler Martin Hajart kennt diese Probleme. Deshalb will er jetzt auch zwei neuralgische Punkte im Radwegenetz umgestalten: die Nibelungenbrücke und den Hauptplatz. Da sollen Radfahrer, aber auch zu Fuß Gehende deutlich mehr Platz bekommen. Dass das auf Kosten der Autofahrer gehen wird, ist Hajart bewusst. Und es ist auch ein Stück weit gewollt. Denn ohne eine Umverteilung des Straßenraums weg vom Auto und hin zur Sanften Mobilität werde man die Verkehrswende kaum schaffen.
Hauptplatz erst 2024 autofrei
Autofrei soll der Hauptplatz allerdings erst mit der für Sommer 2024 geplanten Eröffnung der neuen Westring-Autobahnbrücke über die Donau werden. Bis dahin werden sich Radfahrer und Fußgänger auch weiter auf dem schmalen, mit viel roter Farbe notdürftig aufgeteilten Gehweg der Nibelungenbrücke drängen, während der Autoverkehr daneben sechsspurig vorbeirauscht. Denn zur radikal möchte der neue Verkehrsstadtrat die Verkehrswende dann offenbar doch nicht vorantreiben. Wohl aus Rücksicht auf die eigene Klientel. Und im Wissen, dass Bürgermeister Klaus Luger und seine Stadt-SPÖ ein großes Herz für Autofahrer haben und das Wort Verkehrsberuhigung nur höchst ungern hören und schon gar nicht selbst in den Mund nehmen. Genau das ist auch der Grund dafür, warum die Hauptstraße in Urfahr vielen Ankündigungen und nicht umgesetzten Plänen zum Trotz nach wie vor mit Autos verstopft und dementsprechend unattraktiv für Fußgänger, Radfahrer und zwischen den Geschäften flanierende Passanten ist. Da sieht Martin Hajart jetzt unmittelbaren Handlungsbedarf: “Die Hauptstraße bedarf aus meiner Sicht ganz dringend einer Verkehrsberuhigung.” Über das Wann und Wie will sich der neue Verkehrsstadtrat jetzt mit Anrainern und Geschäftsleuten unterhalten. Erste Zurufe gibt es bereits: “Bitte keine Fußgängerzone!”, lassen einzelne einflussreiche Wirtschaftsvertreter ausrichten. Nur eine Begegnungszone könne man sich vorstellen.
Auch am Hauptlatz muss Hajart die Begehrlichkeiten vieler Betroffener unter einen Hut bringen. Gastronomen, Radfahrer und Fußgänger wollen den Platz möglichst ungestört von Autos in Beschlag nehmen, Geschäftstreibende und Hotelgäste müssen zufahren, die Taxifahrer wollen ihren lukrativen Standplatz ebenso wenig verlieren wie der Betreiber des knallgelben Touristenzugs. Der Vizebürgermeister und Verkehrsreferent will das im Dialog lösen. Auch mit Bewohnern des Neustadtviertels, die von der Stadt bisher erfolglos eine Verkehrsberuhigung in dem dicht bewohnten Stadtteil gefordert haben, sei er bereits im Gespräch, versichert Martin Hajart.
Viel Gesprächsbedarf wird Martin Hajart auch innerhalb des Rathauses haben. SPÖ und FPÖ und womöglich sogar der eine oder andere ÖVP-Parteifreund werden mit dem autokritischen Kurs des neuen Verkehrsstadtrats keine rechte Freude haben, den Grünen dürfte er bei der Neuverteilung des Verkehrsraumes zu zaghaft agieren. Aber das Reden, Überzeugen und politische Verhandeln liegt dem 38-Jährigen Hajart im Blut: von 2015 bis zu seinem vorübergehenden Abschied aus der Politik im Jahr 2020 war er schwarzer Klubobmann im Linzer Gemeinderat.
Stadtseilbahn hat keine Priorität
Einem Projekt, in das sein Vorvorgänger Markus Hein von der FPÖ und SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger viel Energie und auch schon den einen oder anderen Euro aus Steuergeldern investiert haben, erteilt der neue ÖVP-Verkehrsreferent bereits eine klare Absage: der Stadtseilbahn, die den Bahnhof Ebelsberg quer über das Industriegebiet und die Donau hinweg mit dem Pleschinger See verbinden sollte. Die Bahn sei derzeit schlicht unfinanzierbar und ihr verkehrlicher Nutzen fragwürdig. “Meine Priorität liegt anderswo. Die Verkehrsproblematik im Linzer Süden ist sehr groß”, sagt Hajart. Vor allem, weil dort schon seit Jahren Wohnungen im großen Stil gebaut werden und jetzt auch auf dem Gelände der ehemaligen Hillerkaserne die Baumaschinen anrollen, um weiteren Wohnraum zu schaffen.
Er habe mit den Projektentwicklern bereits gesprochen, sagt der Linzer Verkehrsstadtrat: “Ich habe betont, dass es Mobilitätslösungen mit dem Schwerpunkt Sanfte Mobilität geben muss. Sprich: Es soll insbesondere auf das Radfahren und die Öffis gesetzt werden. Das wurde mir auch zugesagt.” Wichtig sei auch, die Erschließung mit Radwegen und Öffi-Verbindungen zeitgleich mit der Errichtung neuer Wohnbauprojekte zu verwirklichen, um Verkehrsprobleme zu vermeiden. Etwas, das gleich nebenan in Linz-Pichling nicht funktioniert hat: Während dort Hunderte Wohnungen und ganze Siedlungen neu entstehen und die S-Bahn längst bis an ihre Kapazitätsgrenze ausgelastet ist, verstauben die fast fertigen Pläne zur Verlängerung der Straßenbahn von der Solar City nach Pichling seit Jahren in den Schubladen des Linzer Magistrats. Und der von Bund und ÖBB umzusetzende Ausbau der Westbahnstrecke in diesem Bereich, der für einen dichteren S-Bahn-Takt unerlässlich ist, reißt immer mehr Verspätung auf. Der jüngste Rahmenplan von ÖBB und Klimaschutzministerium nennt jetzt 2030 als Fertigstellungsdatum.
Zu tun gibt es also mehr als genug, der neue Linzer Verkehrsstadtrat Martin Hajart startet mit einer dicken Agenda in sein Amt. Er selbst sagt, er müsse sich erst einen detaillierten Überblick über alle Probleme und Projekte verschaffen. An seiner Seite hat er dabei mit Hans-Martin Neumann einen neuen Planungsdirektor. Und auch die städtische Mobilitätsplanung wird bald einen neuen Chef oder eine neue Chefin bekommen: Der langjährige Amtsinhaber, der nicht durch besondere Innovationsfreude aufgefallen ist, verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. Neu besetzt ist der Posten bereits, die Personalie muss aber noch rathausintern abgesegnet werden. Viele Betroffene und politische Beobachter inner- wie außerhalb des Linzer Rathauses erhoffen sich von den personellen Neuerungen im Verkehrsressort jetzt jedenfalls einen frischen Wind. Den wird es auch brauchen, um die vielen zum Teil schon seit Jahren ihrer Umsetzung harrenden Planungen und Projekte in Schwung zu bringen und neue Lösungen für die altbekannten Verkehrsprobleme in Linz zu finden.
Straßenbauprogramm 2022
Einige kleinere Projekte werden auch schon im heurigen Jahr realisiert. Für den Bau von Straßen sind im Budget 1,2 Millionen Euro vorgesehen. Damit sollen vor allem neue Siedlungen erschlossen werden, eine Million fließt in 12 Erhaltungsmaßnahmen an verschiedenen Straßenzügen. In Geh- und Radwege investiert die Stadt Linz 2022 rund 550.000 Euro. Der Löwenanteil entfällt auf den neuen Radweg auf der Trasse der ehemaligen Florianer Bahn (360.000 Euro). Außerdem wird der Geh- und Radweg in der Turmstraße verbreitert, der Radweg in der Muldenstraße verbessert sowie baulich getrennte Radwege in der Hanuschstraße errichtet. Neue Gehsteige bekommen die Altenberger Straße, die Schwayerstraße und die Landwiedstraße.
Titelbild: Linz Tourismus