Kritik aus OÖ an Atom-Plänen in Tschechien

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Seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, rund zwei Jahre lang sind konkrete Pläne erarbeitet worden. Jetzt steht fest: Tschechien wird die Atomkraft ausbauen. Das hat die Regierung in Prag in der vergangenen Woche beschlossen. Den Auftrag zum Atom-Ausbau bekommt die südkoreanische Firma KHNP, die sich im Bieterverfahren gegen den französischen Staatskonzern EDF durchsetzen konnte. Der amerikanische AKW-Bauer Westinghouse war schon zuvor aus dem Verfahren ausgeschieden.

KHNP soll ab 2029 zunächst zwei Reaktorblöcke im südmährischen AKW Dukovany bauen. Das ab 1985 in Betrieb gegangene Kernkraftwerk mit russischer Technologie liegt in der Nähe von Brünn, rund 100 Kilometer von Wien entfernt. Der Bau der beiden neuen Reaktoren in Dukovany wird auf umgerechnet mindestens 17 Milliarden Euro geschätzt.

Als Option ist im Vertrag mit KHNP auch der Bau von zwei neuen Blöcken im Atomkraftwerk Temelín enthalten. Der 2002 ans Netz gegangene Meiler ist nur rund 50 Kilometer von der oberösterreichischen Grenze entfernt und liegt in unmittelbarer Nähe von Budweis. Wie in Dukovany stammt auch in Temelín die Reaktortechnologie aus Russland, die Steuerungstechnik hat der US-amerikanische Konzern Westinghouse zugeliefert.

Aus Oberösterreich kommt heftige Kritik an den tschechischen Atom-Ausbauplänen. Umweltlandesrat und Grünen-Landessprecher Stefan Kaineder nennt die Entscheidung der Regierung in Prag einen „Irrweg“. Kernkraft sei nicht sicher und zudem horrend teuer: „Wenn die Planungen umgesetzt werden, wird Tschechien zu einem Testgebiet für südkoreanische Reaktortechnologie. Und wer die Entwicklungen der AKW-Neubauprojekte in Europa kennt, der weiß: Strom aus diesen AKW ist sehr teuer und ohne Subventionen nicht marktfähig“, erklärt Kaineder.

Umstrittene koreanische Technologie

Tatsächlich hat KHNP bisher außerhalb des eigenen Landes nur vier Reaktoren in den Vereinigten Arabischen Emiraten errichtet. Der letzte Block im AKW Barakah ist heuer im März ans Netz gegangen. Das Ende 2009 an KHNP vergebene Projekt sei im Vergleich zu ähnlichen Projekten relativ gut im Zeit- und Kostenrahmen geblieben, hat der Energieexperte Jiří Gavor kürzlich gegenüber tschechischen Medien erklärt. Erschweren könnte die Umsetzung der koreanischen Reaktorpläne in Tschechien allerdings ein seit Jahren schwelender Rechtsstreit zwischen KHNP und dem US-amerikanischen Technologiekonzern Westinghouse. Der wirft den Koreanern vor, die Technologie für das Reaktormodell APR 1400 von Westinghouse abgekupfert und ohne deren Genehmigung weiterentwickelt zu haben.

Die Leiterin der tschechischen Atomaufsichtsbehöde SUJB, Dana Drábová, glaubt indes an eine Lösung dieses Konflikts. Die einfachste Variante sei, dass KHNP einen Teil des tschechischen Auftrags an Westinghouse abtrete und etwa die Steuerungstechnik vom US-Konzern zuliefern lasse, zitieren tschechische Medien die Atomphysikerin.

Breite Unterstützung in Tschechien

Das Angebot der koreanischen KHNP sei von allen Seiten betrachtet eindeutig das beste, verteidigt die Präsidentin der tschechischen Abgeordnetenkammer, Markéta Pekarová Adamová von der bürgerlich-konservativen Partei TOP 09, die kürzlich von der Regierung gefällte Entscheidung: „Das betrifft sowohl den Endpreis der erzeugten Energie, als auch die hohe Beteiligung tschechischer Firmen an diesem Auftrag“.

Die Entscheidung für den Ausbau der Atomkraft sieht Pekarová-Adamová als „historischen Schritt“, der eine „unglaublich gute Nachricht für die tschechischen Bürger“ sei. Außerdem werde damit die Energieversorgung Tschechiens langfristig abgesichert und es sei gelungen, das Projekt ohne die Beteiligung Russlands und Chinas zu realisieren, schreibt die tschechische Parlamentspräsidentin auf X.

Ähnlich euphorisch haben sich auch weitere Vertreter der bürgerlich-liberalen Regierungskoalition in Prag geäußert, und selbst die Opposition unterstützt die Atom-Pläne nahezu geschlossen. Als einzige Partei sehen die Grünen den geplanten Ausbau der Kernkraft mit Skepsis. Aber sogar die Öko-Partei, die landesweit derzeit kaum eine politische Rolle spielt, kann sich einen vollständigen Atomausstieg in Tschechien derzeit nicht vorstellen, wie Parteichefin Magdalena Davis kürzlich im Life Radio-Interview erläutert hat.

Einhellige Ablehnung in Oberösterreich

Kein Verständnis dafür, dass Tschechien weiterhin voll auf die Atomkraft als wichtige Energiequelle setzt, hat hingegen Thomas Antlinger. Der Energiesprecher der SPÖ Oberösterreich fragt sich: „Warum setzt Tschechien ausgerechnet auf eine Form der Energieerzeugung, die gefährlich für Mensch, Tier und Umwelt ist, teuer in der Instandhaltung und problematisch und aufwändig in der Entsorgung?“ Der Landtagsabgeordnete fordert Landeshauptmann Thomas Stelzer und Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) auf „alle politischen, diplomatischen und rechtlichen Lösungen auszuschöpfen und diese Ausbaupläne zu verhindern – im Sinne der Oberösterreicher:innen.“

Eine Forderung, die bei Landeshauptmann Stelzer auf offene Ohren stoßen dürfte, schließlich spricht er sich schon seit Jahren klar gegen den Ausbau der Kernkraftwerke in unserem Nachbarland aus: „Wenn sich eines in 35 Jahren in Oberösterreich nicht geändert hat, dann ist es unser entschiedener Kampf gegen Atomkraft. Als Landeshauptmann trete ich weiter mit aller Entschlossenheit für ein atomkraftfreies Europa ein“, schreibt Stelzer auf seiner Homepage. Ins selbe Horn stößt die FPÖ Oberösterreich und stellt fest: „Atomkraft ist keine grüne Energie“. Nahezu gleichlautend auch die Position von Bundeskanzler Nehammer: „Österreich setzt auf erneuerbare Energie, denn Atomkraft hat keine Zukunft“, hat Nehammer zuletzt 2022 auf Facebook gepostet.

Ob und wie Bundes- und Landesregierung gegen die jetzt bekanntgewordenen AKW-Ausbaupläne in Tschechien vorgehen werden, ist noch offen. Konkrete Schritte sind bisher nicht angekündigt worden.

Titelbild: AKW Temelín in Südböhmen – Photo: Pixabay / ivabalk