Es ist immer öfter zu beobachten – an der Donau, der Enns oder der Traun: An den Kraftwerken rinnt ein Teil des Wassers über die Staumauern und nicht wie üblich ausschließlich durch die Turbinen. Selbst bei ruhigem Wetter und Sonnenschein. Genauer gesagt: gerade dann. Denn die Sonne ist die Ursache dafür: Je länger und kräftiger sie scheint, desto mehr Strom produzieren die Photovoltaik-Anlagen. Rund 77.000 gibt es inzwischen in Oberösterreich, bis zum Ende des heurigen Jahres werden es nach Schätzungen des größten regionalen Stromnetzbetreibers Netz OÖ rund 100.000 sein.
Befeuert wird dieser Boom durch großzügige Förderungen für PV-Anlagen. Aber auch die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise sei ein Grund, sagt Wolfgang Denk, Sprecher der Netz OÖ: “Da haben wir einen sprunghaften Anstieg bei den Anträgen auf neue PV-Anlagen verzeichnet. Dahinter steckt der starke Wunsch nach energetischer Unabhängigkeit und größtmöglicher Eigenversorgung bei unseren Kundinnen und Kunden.” Die gelingt auch immer öfter: Im April hat die Netz OÖ eine neue Rekordmenge an Strom verzeichnet, die durch Photovoltaik erzeugt worden ist: Mehr als 185 Millionen Kilowattstunden Sonnenstrom hätten rechnerisch ausgereicht, um mehr als 882.000 Haushalte zu versorgen. Auf ganz Oberösterreich gerechnet muss man diese Zahlen noch um 20 bis 25 Prozent erhöhen: Das entspricht dem Anteil des PV-Stroms, der in die Netze anderer Betreiber eingespeist wird – zum Beispiel in jenes der Linz AG, die nicht nur für die Strominfrastruktur in der Landeshauptstadt, sondern auch in einigen Umlandgemeinden und Teilen des Mühlviertels zuständig ist. Einige weitere größere Städte haben ebenfalls ihre eigenen Stromnetzbetreiber.
Was für die Umwelt ein Segen ist, bedeutet für das Stromnetz einen echten Belastungstest: “Das Stromnetz funktioniert prinzipiell so, dass genau so viel Energie eingespeist wird, wie auch verbraucht wird. Das ist die sogenannte Netzfrequenz. Stromerzeugung und Verbrauch müssen sich die Waage halten”, erklärt Wolfgang Denk, Sprecher der Netz OÖ. Nur so kann die erforderliche Netzfrequenz von 50 Hertz gehalten werden. Passiert das nicht und werden die Frequenzschwankungen im europaweit synchronisierten Stromnetz zu stark, drohen Stromausfälle, die sich im Extremfall zu einem großflächigen Blackout ausweiten können. Deshalb muss die intensive Produktion von Sonnenstrom sofort ausgeglichen werden. “Wenn es wie zuletzt am Wochenende oder am Feiertag sehr schön ist, aber gleichzeitig weniger Strom als an Werktagen verbraucht wird, gibt es ein Überangebot. Das führt dann dazu, dass gewisse Anlagen zurückgeregelt werden müssen”, sagt Denk. Am einfachsten geht das derzeit bei Wasserkraftwerken.
Dass mit dem Wasser im Prinzip wertvoller Strom aus erneuerbaren Quellen ungenutzt über die Wehre rauscht, während andernorts Gas- und Kernkraftwerke laufen, sei weit entfernt vom Idealzustand, hört man von den Stromnetzbetreibern. Diese thermischen Stromerzeuger lassen sich aber nicht so einfach herunterfahren und auch nicht kurzfristig wieder ans Netz schalten, wenn der Bedarf wieder steigt. Abhilfe schaffen könnten die Inhaber der Sonnenstrompaneele selbst, sagt Netz OÖ-Sprecher Denk: “Für jeden, der eine Photovoltaik-Anlage zu Hause betreibt, wäre so eine Situation die Gelegenheit zu überlegen, ob man nicht in einen Batteriespeicher investiert.”
Das würde die Stromnetze spürbar entlasten und die Leistungsspitzen der PV-Anlagen tagsüber bei Sonnenschein abfedern. Die mehrere Tausend Euro für so einen Speicher können sich auch durchaus rechnen, erläutert Denk: “Jede Kilowattstunde, die man in einer Batterie speichert und später selbst verbraucht, ist wirtschaftlicher genutzt als sie zu verkaufen. Denn sie wird in Zukunft wahrscheinlich noch weniger ‘wert’ sein als jetzt.” Die Rechnung ist einfach: Je mehr Strom in die Netze drängt, desto weniger bekommen Hausbesitzer für den auf ihrem Dach produzierten Strom, den sie nicht selbst verbrauchen, sondern auf dem Markt verkaufen.
Batteriespeicher für Privatanwender sind aber nur ein Lösungsansatz, wie Erzeugungsspitzen durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen im Stromnetz abgefangen werden können. Ein Teil des überschüssigen Stroms könnte auch zu Wasserstoff werden. Dazu sollen in Zukunft im Netz dezentral Elektrolyseure platziert werden, die Wasserstoff aus Strom produzieren – immer dann, wenn gerade mehr Strom erzeugt als verbraucht wird.