Gerade einmal 125 Bahnkilometer trennen Linz und Budweis. Der schnellste Zug braucht dafür 1 Stunde und 58 Minuten. Mit so einer im negativen Sinn atemberaubenden Geschwindigkeit ist der Zug schon heute nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber dem Auto. Wenn dann in gut zwei Jahren die Autobahn in Tschechien fertig ist und voraussichtlich im Jahr 2031 auch in Österreich die S10 durchgehend bis zur tschechischen Grenze ausgebaut ist, wird die Bahn vollkommen unattraktiv.
Dennoch ist jetzt der seit Jahren von Oberösterreich, aber auch der Steiermark vehement geforderte Ausbau der Summerauer Bahn gescheitert. Das zeigt die kürzlich veröffentlichte langfristige Projektplanung der ÖBB, das sogenannte “Zielnetz 2040”. Darin ist die Summerauer Bahn nicht enthalten. Ein herber Schlag für die Region, sagt die Freistädter ÖVP-Nationalratsabgeordnete Johanna Jachs bei einem Lokalaugenschein in einem Schnellzug auf der Summerauer Bahn: “Wir Mühlviertlerinnen und Mühlviertler bedauern es sehr, dass aus dem Ausbau der Summerauer Bahn jetzt in absehbarer Zeit nichts wird. Gerade der Bezirk Freistadt ist ein Pendler-Bezirk. Zirka 14.000 Menschen, die im Einzugsbereich der Bahnstrecke leben, pendeln täglich nach Linz.” So lange die Bahnfahrt in etwa doppelt so viel Zeit in Anspruch nimmt wie der Weg über die schon vor Jahren mehr als großzügig ausgebaute Schnellstraße S10, werden sie weiter ins Auto steigen oder im besten Fall versuchen, einen Platz in einem der knallvollen Schnellbusse zu ergattern.
Ein weiterer Nachteil der Summerauer Bahn sind ihre Bahnhöfe: In Freistadt etwa ist der Fußmarsch vom Bahnhof in die Stadt über drei Kilometer lang, durch die Lage auf einem Hügel ist er auch mit dem Fahrrad nicht optimal erreichbar. Der lang gewälzte Plan, in der Nähe des Pendlerparkplatzes im Freistädter Süden eine Bahnhaltestelle zu errichten, die auch die Erreichbarkeit des Krankenhauses deutlich verbessert hätte, ist am Ende gescheitert. Die ÖBB haben stattdessen kürzlich den bisherigen Bahnhof Freistadt für viel Geld saniert -ebenso wie alle anderen bestehenden Stationen an der Summerauer Bahn. “Ich glaube, die Modernisierung war ganz wichtig. Es sind in den letzten Jahren insgesamt elf Bahnhöfe und Haltestelle saniert und auch barrierefrei gemacht worden”, sagt Abgeordnete Jachs im Gespräch mit Life Radio-Reporter Daniel Kortschak. Bei der neuen Bahnhaltestelle in Freistadt-Süd hätten die Gespräche mit den Bundesbahnen aber nicht gefruchtet; “Die ÖBB sind da von ihren ursprünglichen Plänen nicht mehr abgerückt. Das finden wir auch schade.” Bleibt die Frage: Waren da die ÖBB bei der Planung zu unflexibel, wie es die lokale Politik jetzt gerne darstellt? Oder haben sich die Verhandlungen zwischen Stadt Freistadt, Land Oberösterreich und Verkehrsverbund so lange hingezogen, dass es sich dann nicht mehr ausgegangen ist? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo auf halbem Weg zwischen den beteiligten Institutionen in Freistadt, Linz und Wien.
Abgeordnete Jachs will jetzt zumindest die Anbindung des entlegenen Bahnhofs an die Stadt verbessern, etwa mit einem Shuttledienst. Schon jetzt könne man auch das innerhalb der Stadt auch den Taxidienst City-Mobil nutzen. Dafür muss man allerdings vorab zu den Amtsstunden im Rathaus einen Gutschein kaufen. Eine alltagstaugliche Lösung für Gelegenheitsfahrer und Besucher von außerhalb sieht wohl anders aus. Den Citybus, der auch den Bahnhof angefahren ist, hat die Stadt im Jahr 2018 nach zwei Jahren eingestellt. Offiziell wegen schlechter Auslastung. Allerdings war der damaligen Bürgermeisterpartei ÖVP, für die auch Johanna Jachs im Gemeinderat sitzt, der Citybus schlichtweg zu teuer.
Ums Geld geht es auch beim jetzt vorerst gescheiterten Ausbau der Summerauer Bahn zur Hochleistungsstrecke: Rund 75 Millionen Euro hat die ÖBB-Infrastruktur-AG in den vergangenen Jahren in die Modernisierung der bestehenden Gleisanlagen, neue Sicherungstechnik und die moderne, barrierefreie Umgestaltung von Bahnhöfen und Haltestellen investiert. Erst heuer im Jänner ist der Abschluss dieser Arbeiten gefeiert worden. Schon damals waren vereinzelt kritische Stimmen zu hören, die Zweifel hatten, ob man nun tatsächlich nahtlos mit Planungen beginnen werde, die einen Großteil dieser Investitionen wieder zunichte machen würden. Denn entlang der bestehenden, kurvigen und gegenüber der Straße um gut 30 Kilometer längeren Streckenführung ist ein Ausbau der Summerauer Bahn nicht sinnvoll möglich. Die Kritiker sollten Recht behalten, wie sich jetzt zeigt.
Angelika Winzig, EU-Abgeordnete aus Oberösterreich und Leiterin der ÖVP-Delegation im Europäischen Parlament, spricht bei einer gemeinsamen Bahnfahrt von Linz nach dennoch von einer vertanen Chance: “Gerade jetzt, wo wir enger zusammenwachsen in Europa, wäre das ein sehr wichtiger Ausbau. Wir haben ja gestern im europäischen Parlament das Europäische Verkehrsnetz für mehr Chancen und Freiheit in Europa beschlossen. Da geht es auch darum, in Zukunft günstiger und schneller zu reisen.” Schneller wird es auf der Summerauer Bahn in absehbarer Zeit nicht werden. Denn weil Österreich kein Interesse angemeldet hat und auch keine konkreten Pläne vorlegen konnte, ist im viele Hundert Milliarde Euro schweren EU-Investitionspaket der EU dafür jetzt kein Geld vorgesehen. Somit bleibt es bei einer Fahrzeit von 3 Stunden und 42 Minuten für die Verbindung Linz – Prag. Die angepeilten zweieinhalb Stunden bleiben in weiter Ferne.
Um einige Minuten wird sich die Bahnfahrt zwischen der tschechischen und der oberösterreichischen Hauptstadt allerdings noch verkürzen: In Tschechien, wo große Teile der Strecke Prag – Budweis für Spitzengeschwindigkeiten bis zu 200 km/h schon neu gebaut worden, stehen in den kommenden Jahren noch einige Modernisierungsprojekte zur Realisierung an. Damit werden die letzten eingleisigen Streckenabschnitte zwischen Prag und Budweis beseitigt und die kurvenreiche Strecke begradigt. Weiter Richtung Süden bleibt es aber bei den atemberaubenden 100 km/h Höchstgeschwindigkeit auf der eingleisigen und bogenreichen Summerauer Bahn. Denn so lange Österreich keine konkreten Absichten zum Ausbau vorlegt, will auch Tschechien nicht groß investieren: Eine Neubaustrecke, die dann an der Staatsgrenze endet, hält man in Prag für hinausgeworfenes Geld, das man anderswo weit sinnvoller investieren kann.
Das österreichische Desinteresse am Ausbau der Summerauer Bahn sei ein großer Schaden für den Güter- und den Personenverkehr, kritisiert EU-Politikerin Winzig. Statt Hochgeschwindigkeitstriebwagen auf einem leistungsfähigen Bahnkorridor werden weiter langsame Personenzüge durch das Mühlviertel kurven. Und der internationale Güterverkehr muss sich weiter mit langen Fahrzeiten und geringen Anhängelasten abfinden – oder sich andere Routen durch Europa suchen.
Titelbild: Personenzug im modernisierten Bahnhof Freistadt – Foto: ÖBB / Robert Deopito